Gute Bounces, schlechte Bounces

In der vergangenen Woche sorgte bei einem Teil der Online-Marketing-Szene ein Video für Erheiterung – ich sage nur „Baunze“.

In diesem Video ging es um ein Tool, das ebensolche Bounces verhindern soll. Vorweg erlaube ich mir die Warnung, dass ein solches Tool mit Vorsicht zu genießen ist. Ich würde es nicht einsetzen. Die Gründe werde ich weiter unten erläutern.

Aber zuerst einmal die Frage, die der Laie jetzt stellen möchte:

 

Was ist ein Bounce?

 

Ein Besucher kommt auf unsere Website. Vielleicht ruft er nur eine einzige Seite auf, vielleicht stöbert er aber auch eine Weile herum und klickt mehrere Unterseiten unseres Webauftritts an. Das ist das Szenario, das wir uns wohl alle wünschen – gekrönt nur noch von der hoffentlich erfolgenden Conversion, die ich in den kommenden Tagen ebenfalls an dieser Stelle behandeln werde.

 

Wenn der Besucher nur genau eine Seite auf unserem Auftritt aufruft, dann handelt es sich um einen Bounce. Die Einstiegsseite ist auch gleichzeitig die Ausstiegsseite. Das kann jetzt in erster Linie zwei Sachen bedeuten:

1) Der User hat genau das gefunden, was er gesucht hat, lesen oder anschauen wollte. Er ist glücklich, weitere Klicks sind nicht notwendig.

 

2) Der User erkennt recht schnell, dass er bei uns wohl nicht das findet, was er erwartet hat. Deshalb hält er sich auch gar nicht länger bei uns auf, sondern geht wieder dorthin zurück, woher er gekommen ist. Das kann zum Beispiel die Suchergebnisseite von Google sein.

 

 

Die Bounce Rate

 

Die Bounce Rate wird im Deutschen als Absprungrate bezeichnet und ist eine der am weitesten verbreiteten Kennziffern aus dem Web Analytics-Bereich. Sie wird als Prozentwert angegeben und umfasst alle Besucher, die nach einem einzigen Seitenaufruf wieder weg sind.
Eine hohe Bounce Rate kann ein Alarmsignal für eine schlechte Qualität der Seite oder einen nicht zur Suche passenden Inhalt sein – muss es aber nicht. Auch bei einem überaus befriedigenden Nutzererlebnis kann nach längerer Zeit oder aber einem sofortigen Erfassen der gesuchten Information ein Absprung erfolgen.

 

 

Bounces messen

 

Das Messen der Bounce Rate und die dazu gehörige Unterteilung in gute und schlechte Bounces ist nicht ganz trivial. Denn was wir in Google Analytics, Piwik oder einem anderen Webanalyse-Tool sehen ist: Nur ein Seitenaufruf, Aufenthaltsdauer von 0 Sekunden. Ob diese Person sich unseren ausführlichen Artikel durchgelesen hat, wissen wir nicht.

Per Javascript, das im Browser des Besucher ausgeführt wird, ist es im Prinzip möglich, mehr Informationen zu erhalten. Standard ist dies aber nicht.

 

 

Böse Bounces

 

Unter den vielen Ranking-Kriterien der Suchmaschine Google, bei denen mehr und mehr die Qualität der Inhalte bewertet werden soll, befindet sich auch in einer gewissen Abwandlung die Bounce Rate: als Return-To-Serp-Rate. Dabei geht es jetzt ganz speziell um die Bounces, bei denen innerhalb kurzer Zeit eine Rückkehr zur Suchergebnisseite stattfindet. Google hat viele potenzielle Möglichkeiten, so etwas zu messen: Browser, Betriebssysteme, Toolbars, Google Analytics … und nicht zuletzt das Tracking der ausgehenden Links auf den eigenen Suchergebnisseiten.

 

Der Hintergedanke: Findet ein User nicht das Gesuchte, kehrt er sofort zurück und sucht weiter. Ist er fündig geworden, kehrt er nicht mehr zurück. Oder erst nach längerer Zeit, um die bereits gewonnenen Informationen noch anzureichern.

 

 

Bounces blocken – ein Irrweg

 

Nun gibt es Tool-Anbieter, die genau diese bösen Bounces verhindern wollen. Ein Script für etablierte Systeme wie WordPress soll den Benutzer – anstatt zurück zu Google – auf weitere Seiten des Anbieters umleiten. In der vagen Hoffnung, ihm wenigstens noch irgendetwas verkaufen zu können. IRGENDWAS!
Ganz neu ist dieser Gedanke nicht. Schon früher gab es Scripte, die den Zurück-Button des Browsers blockieren sollten. In großem Umfang durchgesetzt haben sie sich nie. Und das hat Gründe.

Was verspreche ich mir davon, einen User auf meiner Website einzusperren? Virtuelle Freiheitsberaubung ist das, Türen verriegeln UND JETZT KAUFST DU!
Kauft der Kunde, wenn er gar nicht kaufen will (und auch keinen Bedarf hat)? Nein.
Kommt der Kunde nach diesem tollen Nutzererlebnis noch einmal wieder? Auch nicht – außer aus Versehen.

Mache ich mir Freunde damit? Wirklich nicht.

Dabei gibt es ganz natürliche Wege, einen Besucher auf der Seite zu halten. Mit fesselnden Inhalten, die Lust auf mehr machen. Einer insgesamt guten User Experience. Mit herausragenden Angeboten, die er gerne annehmen wird, wenn sie sich mit seinem Bedarf decken.
Wird er bei mir nicht fündig, lasse ich ihn gehen. Gehen zu viele, habe ich möglicherweise meine Hausaufgaben nicht gemacht.

 

 

Und warum die Bounce Rate unterm Strich eben doch zählt

 

Hand aufs Herz: Jeder Webauftritt erfüllt seinen Zweck. Verkaufen, aufklären, persönliche Anerkennung, Geld verdienen. Nur in wenigen Szenarien geben wir uns damit zufrieden, wenn der Besucher liest oder ein Bild beziehungsweise Video betrachtet und anschließend einfach so von dannen zieht. Bei einem reinen Informationsanliegen oder bei Werbung, die nach Einblendungen bezahlt wird, was immer seltener wird.

Fast immer ist also eine Reaktion erwünscht. Eine Conversion. Und fast alle erwünschten Reaktionen lassen sich insofern messen, dass der User eine Aktion ausführt. Und ab da ist es dann kein Bounce mehr, die Bounce Rate sinkt. Der Besuch wird für uns greifbar.

 

Eine hohe Bounce Rate dort, wo wir uns viel Engagement und Conversions wünschen, ist vollkommen unabhängig von der Bewertung durch Suchmaschinenbetreiber etwas Schlechtes. Es liegt an uns, diesen Wert zu senken, indem wir Anreize zum Weiterklicken und zum Dialog anbieten. Künstliche Zäune helfen uns dabei nicht.

 

 

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