Webmasterfriday - Meine Gedanken zum Thema "Umgang mit Kritik in Kommentaren"

Bin ich eigentlich die richtige Person, um zu diesem Thema zu schreiben? Wo ich doch in letzter Zeit nicht wirklich Anlass hatte, mich aktiv mit der Problematik auseinandersetzen zu müssen? Egal, möglicherweise ändert sich das ja schon mit diesem Artikel hier. ;-) Nachdem Köln ja in dieser Woche wieder einmal das Mekka der Online-Marketing-Szene war, befiel mich die Lust, auch mal wieder selbst etwas aktiver zu bloggen. Aber wo anfangen? Der Webmasterfriday lieferte mir dann eine nette Themenvorgabe. Unabhängig von der tatsächlichen Handhabung, die am Ende in der Praxis im konkreten Fall herauskommt, lohnt es sich sicherlich, den Umgang mit kritischen Kommentaren sowie kritische Kommentare an sich einmal systematisch zu betrachten. Viele der Prinzipien sind nämlich allgemeingültig und können auch im Rahmen von Forenkommunikation oder im Alltag Anwendung finden.

Warum ist der richtige Umgang mit Kommentaren im Internet so wichtig?

Im Internet ist der nächste Shitstorm heutzutage nur eine falsche Äußerung und ein paar "Teilen"-Klicks entfernt. Dabei ist es sekundär, ob der Schauplatz des Geschehens der eigene Firmenblog ist oder ein soziales Netzwerk wie Facebook oder Twitter. Eine überstürzte, fehlerhafte Behandlung lässt sich kaum wieder gutmachen, das Netz vergisst bekanntlich nichts. Das komplette Ausblenden von kritischen Kommentaren ist ebenso unrealistisch wie unnatürlich. Zu einem Thema gibt es immer unterschiedliche Meinungen, ebenso gefällt ein Produkt vielleicht nicht jedem. Daher gehört ein gewisses kritisches Grundrauschen dazu - eine einhundertprozentige Lobhudelei würde unehrlich wirken. Außerdem kann und sollte man als Autor oder als Unternehmen auch froh über Kritik sein, die man bekommt. Positive Kritik kann eine Bestärkung des eigenen Weges sein. Negative Kritik kann zeigen, dass sich jemand mit einem Artikel oder einem Produkt eingehend beschäftigt hat und ihm dabei verbesserungswürdige Dinge ins Auge gestochen sind, die einem selbst dank Betriebsblindheit nie aufgefallen wären. Insofern kann die Aufnahme negativer Kritik der eigenen Qualitätsverbesserung dienen. Bei größeren Unternehmen kann man sogar darüber nachdenken, die Auswertung von Kritik zu institutionalisieren.

Das Vier-Ohren-Modell - unterschiedliche Ebenen einer Nachricht

Werfen wir zunächst einen Blick in die Kommunikationstheorie, um besser erfassen zu können, was der Verfasser des Kommentars uns eigentlich mitteilen möchte. Friedemann Schulz von Thun (andere Kommunikationstheoretiker benutzen ähnliche Konzepte) zufolge umfasst jede Nachricht vier Aspekte:

  • die Sachebene
  • die Beziehungsebene
  • den Appell
  • die Selbstoffenbarung

Hier wird deutlich: Es gibt nicht nur die im (kritischen) Kommentar wörtlich geäußerte Botschaft auf der Sachebene. Es können weitere implizite Botschaften - verbalisiert oder nicht verbalisiert - vorhanden sein, die unbedingt hinterfragt und bei der Behandlung des Kommentars berücksichtigt werden sollten. Sie stehen gleichzeitig in Wechselwirkung mit den im folgenden Abschnitt von mir aufgezählten Gegensätzen.

Arten von kritischen Kommentaren und möglicher Umgang damit

Nicht alle negativ-kritischen Kommentare sind gleich. Es gibt deutliche Unterschiede in Ton und Intention - dementsprechend sollten sie unterschiedlich behandelt werden. Eine sinnvolle Unterteilung könnte etwa folgendermaßen aussehen:

  • sachlich - unsachlich
  • gerechtfertigt - ungerechfertigt
  • persönlich werdend - nicht persönlich werdend
  • beitragsbezogen - allgemein

Ein wichtiger Punkt, den es zu klären gilt: Bleibt der Kommentator sachlich und auf das eigentliche Problem bezogen? Falls ja, kann man erwarten, dass eine angemessene Reaktion eher positiv aufgenommen wird. Den Punkt "persönlich werdend" möchte ich durchaus als Unterpunkt von "unsachlich" einordnen, denke aber, diese Nuance hat noch einmal eine eigene Betrachtung verdient. Wer in einem Kommentar im negativen Sinne persönlich gegen den Verfasser wird, hat die Grenze zur Unsachlichkeit schon überschritten. Allerdings besteht gerade hier eine erhöhte Gefahr, dass der Autor des Artikels sich persönlich auf den Schlips getreten fühlt und dementsprechend im Eifer des Gefechts mit gleichen Waffen zurückschießt. Hier ist dringend zu raten: tief durchatmen, eventuell eine Nacht darüber schlafen. Gerade bei unsachlicher bzw. persönlicher Kritik ist die Gefahr des Aufschaukelns extrem hoch, die Wahrscheinlichkeit, dass das Gegenüber einlenkt und sachlichen Argumenten gegenüber aufgeschlossen reagiert, vergleichsweise gering. Aber: Reagieren sollte man immer, selbst dann, wenn es sich um einen Troll handelt. - schon allein, um zu zeigen, dass man auch in einer solchen Situation zu einer angemessenen und sachlichen Reaktion in der Lage ist. Denn wer auch immer innerhalb dieser Kommunikation aus der Rolle fällt, offenbart dadurch seine eigene Schwäche und Reizbarkeit. Das kann schnell unprofessionell wirken. Gleichzeitig sollte man sich dessen bewusst sein, dass auch ein unsachlicher Kommentator vom mitlesenden Publikum genau als das gesehen wird, was er ist: unsachlich. Seine Selbstoffenbarung geht in eine negative Richtung. Kritik kann gerechtfertigt oder ungerechtfertigt sein. Nicht immer ist der Verfasser des Kommentars in der Lage, das vor dem Senden zu beurteilen. Auch hier ist in jedem Fall Geduld und Gelassenheit bei der Beantwortung sinnvoll. Auch wenn die Kritik ungerechtfertigt erfolgt, sollte man zunächst hinterfragen: Ist da vielleicht doch etwas dran? Wie konnte der Kommentator zu dieser Ansicht kommen? Liegt vielleicht ein Missverständnis zugrunde? In letzterem Fall sollte das Missverständnis freundlich aufgeklärt werden, ohne jedoch einen Vorwurf daraus zu machen. Liegt der Fehler auf der Seite des Seitenbetreibers und ist damit die Kritik tatsächlich gerechtfertigt: Unbedingt eine möglichst zeitnahe Behebung anstreben, den Kommentator davon in Kenntnis setzen und vor allem: DANKE sagen! Schließlich hat sein Kommentar zu einer Verbesserung beigetragen. Es gibt aber auch den Fall, in dem Kritik ungerechtfertigt und noch dazu vollkommen unsachlich vorgebracht wird. Sicherlich einer der schwierigsten Fälle, da auf Seiten des Kommentators starke Emotionen mit im Spiel sind. Wie schon oben im Rahmen des persönlichen Angriffs erwähnt, gilt auch hier: Ruhe bewahren und sich keinesfalls auf das gleiche Niveau begeben. Falls jegliche Berechtigung der Kritik ausgeschlossen werden kann: höflich und sachlich darauf hinweisen. EINE Reaktion darf hier ausreichen – gibt der Störenfried dann keine Ruhe, hat man seine Pflicht bereits getan und kann ihn ignorieren und weitere unangebrachte Kommentare auch entfernen, falls notwendig. Wie sollte man reagieren, wenn ein kritischer Kommentar sich nicht auf den Beitrag selbst bezieht, sondern auf das Unternehmen an sich oder ein bestimmtes Produkt? Um die Kommentare zum eigentlichen Thema nicht durch eine mögliche Klärung entarten zu lassen, ist an dieser Stelle ein kurzer Verweis auf die zuständige Stelle (etwa ein Kontaktformular, eine Support-Seite, eine E-Mail-Adresse) angebracht. Dies jedoch in erster Linie für zukünftige Fälle und Mitleser. Die bessere Lösung ist jedoch: zusätzlich das Problem bereits weiterleiten und auf diese Weiterleitung hinweisen! Betonen, dass an der Klärung bereits gearbeitet wird, dass schon ein freundlicher Mitarbeiter sich auf die Kontaktaufnahme des Lesers freut. Spannend ist vor allem die Frage nach dem Appell: Der Verfasser eines jeden Kommentars schreibt nicht zweckfrei, sondern möchte mit seinem Kommentar etwas erreichen. Im Fall eines kritischen Kommentars möchte er eine Verbesserung erzielen. Eine stillschweigende Korrektur eines Fehlers in einem Artikel oder die Umstellung eines kritisierten Geschäftsprozesses erfüllt sicherlich ihren Zweck, dem Appell Folge zu leisten. Besser ist es jedoch, die Korrektur bzw. Verbesserung offen zu kommunizieren - so erfährt auch der Rest der Welt, dass man Kritik angenommen und einen Fehler behoben hat, man sich engagiert und zuhört. Nun gibt es aber auch die Zeitgenossen, die einfach immer etwas zu meckern haben. Sie möchten einfach wahrgenommen werden, damit ist ihnen schon gedient. Der Appell (an Seitenbetreiber und weitere Leser): Nehmt mich wahr! Selbstoffenbarung: Sie bekommen bislang offensichtlich nicht genügend Aufmerksamkeit (ganz allgemein, oder sie fühlen sich mit ihrem speziellen Anliegen nicht ausreichend ernst genommen). Auch hier wird eine Diskussion leicht in Machtspielchen auf Beziehungsebene ausarten. In jedem Fall ist es klug, eine möglicherweise ausartende Diskussion möglichst schnell aus der Öffentlichkeit in Kanäle zu verlagern, in denen eine Klärung in Ruhe stattfinden kann oder eine Eskalation nicht der Öffentlichkeit preisgegeben wird. Dennoch sollte an der richtigen Stelle früher oder später eine Stellungnahme erfolgen, damit auch Außenstehende vermittelt bekommen: Man nimmt Kritik ernst und kümmert sich. Das Ziel der Kommentarbehandlungsstrategie aus Sicht eines Seitenbetreibers liegt in erster Linie auf der Beziehungsebene: Die Beziehung zu Kunden und Lesern sollte auch in Zukunft eher positiv geprägt sein. Durch seine Reaktion auf kritische Kommentare gibt er eine Menge von sich preis (Selbstoffenbarung); er kann das Bild, das von ihm entsteht, positiv oder negativ beeinflussen. Es bietet sich also an, immer sachlich und beim eigentlichen Thema zu bleiben, auf persönlicher Ebene keinesfalls anzugreifen. Ein wünschenswertes Bild wäre wohl dieses: ein kompetenter, engagierter, sozial verträglicher Seitenbetreiber, der sich gerechtfertigter Kritik sachlich und freundlich stellt, sich aber nicht hilflos unterbuttern lässt. Die Frage ist nun natürlich, ob sich das alles immer so in die Praxis umsetzen lässt. Es mag immer Grenzfälle oder unvorhersehbare Reaktionen geben. Vielleicht habe ich auch ein paar wichtige Punkte übersehen. Wie handhabt ihr kritische Kommentare bislang?